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Das Leben selbst in die Hand nehmen

Von Brigitte Meiners

Jever/Kumasi. Die dumpfen Trommeln sind von weitem zu hören. Sie geben den Takt für die Tänzer und Tänzerinnen vor, die sich rhythmisch zur Musik bewegen. Um sie herum sitzen Frauen in langen, bunten Gewändern auf der einen Seite, Männer mit Kaftanen auf der anderen Seite, und überall halbnackte Kinder, die mit großen Augen das Geschehen verfolgen. Diejenigen, die in Bulengha, einem kleinen Dorf in der Nähe der Provinzhauptstadt Wa im Norden Ghanas, etwas zu sagen haben, dürfen auf einem Teppich oder Plastikstühlen sitzen. Sie und die Stammesältesten aus zwei weiteren benachbarten Dörfern, die zu Fuß hergekommen sind, begrüßen die weißen Gäste aus Europa feierlich per Handschlag.
Die Gäste: Das sind Mitglieder des Freundeskreises Weser Ems, die sich auf den Weg gemacht haben in den ärmsten Teil des ohnehin schon armen Ghana, fast an der Grenze zu Burkina Faso. Hier läuft das „Sorghum-Projekt“ der Stiftung Opportunity International.
Sorghum heißt übersetzt Hirse. Und die Hirsebauern sind für die gewährten Kleinkredite dankbar. Das wird an diesem Vormittag bei schweißtreibenden Temperaturen deutlich: Den Leuten geht es jetzt besser. Doch es gibt auch Probleme: Ein Traktor müsste angeschafft. Aber, keine Frage, der Kleinkredit hilft wirklich, macht Abdul Najeed, einer der Kleinbauern, klar. Und Halidu Zenabu, offenbar die führende Frau im Dorf, formuliert noch einen Wunsch: Wenn es eine Wasserleitung gäbe, dann könnte vielleicht auch Gemüse angebaut werden. Der Traum von einem besseren Leben ist ausbaubar. Zwei Stunden dauert die Dorfversammlung. Der Besuch weißer Gäste – in diesem abgelegenen Landstrich ein Grund für ein Volksfest.
Eine halbe Stunde Autofahrt über sandige Schotterstraßen zurück nach Wa. Dort freut sich Mary Emori. Zusammen mit ihrer Tochter verkauft sie auf dem quirligen Markt ein wenig Hirse, vor allem aber Erdnüsse. Sie hat ihr Leben selbst in die Hand genommen und jetzt bereits zum sechsten Mal über den ghanaischen Partner von Opportunity International, „Sinapi Aba Trust“, einen Kleinkredit erhalten, der es ihr ermöglicht, größere Mengen an Erdnüssen billig einzukaufen und sie dann weiter zu vermarkten. Emori gehört zu den typischen Kreditnehmern, werden doch die meisten aller Mikrokredite an Frauen vergeben. Sie gelten zum einen als zuverlässige Rückzahler und stärken zudem unmittelbar ihre stets kinderreichen Familien. Im muslimisch geprägten Norden, wo Polygamie herrscht, besteht bei der Kreditvergabe an Männer dagegen die Gefahr, dass diese das Geld in Nebenfrauen investieren.
„Wir geben 95 Prozent aller Kredite an Frauen“, erklärt Elisha Gomnah, der die Sinapi-Filiale in Wa leitet und eines herausstellt: Auch wenn Sinapi christlich orientiert ist, spielt die Religionszugehörigkeit bei der Kreditvergabe keine Rolle. „Wir wollen, dass sich durch die Mikrokredite das Leben verbessert, dies gilt für alle“, sagt er.
Eine Tagesreise entfernt, mitten in Ghana, liegt Obuasi und noch einmal eine halbe Stunde entfernt das kleine Dorf Tweapease. Auch hier: Kleines Geld, große Wirkung. In der „Microschool“ von Joanna Benyin sitzen 90 Jungen und Mädchen auf Schulbänken, die aus dem Schulmuseum Bohlenbergerfeld stammen könnten. Sie lernen aus abgenützten Fibeln Lesen, Schreiben, Rechnen. 90 Kinder profitieren vom Kredit, den die 42 Jahre alte Joanna Benin im Rahmen des „Microschool-Programms“ erhalten hat. In den letzten sechs Jahren hat sie eine kleine Urwaldschule aufgebaut. Zwei Räume mit Dach, die vor dem Regen schützen, ein Brunnen, der das nötige Wasser liefert. Drei Lehrer hat die Frau, die selbst Analphabetin ist, angestellt. Die Eltern der Kinder müssen 10 bis 25 Cent am Tag, an Schulgeld zahlen, das tägliche Mittagessen ist dafür inklusive. Viel Geld für die Eltern, doch die investieren in ihre Kinder gerne, ist doch Bildung der Schlüssel gegen die Armut.
Auf Bildung setzen auch die Jugendlichen, die im Rahmen des Youth Apprenticeship Programms (YAP), einem speziellen Ausbildungsprogramm, eine kostenlose Lehre machen können und anschließend einen Starter-Kredit für die Selbstständigkeit erhalten. Zu ihnen gehört etwa der 19-jährige Stephen Dadzie in Cape Coast. Er lernt derzeit, Fenster aus Aluminum herzustellen und er ist glücklich, einen Platz im Programm ergattert zu haben. Aufgewachsen mit zehn Geschwistern, musste er die Schule abbrechen, weil kein Geld für die Schulgebühren da war. Jetzt aber erlebt er, dass sein Traum von einem Leben mit Perspektive wahr werden kann.
Der Freundeskreis Weser-Ems von Opportunity hat während der siebentägigen Reise von Süd nach Nord und Nord nach Süd viele Beispiele dafür gesehen, dass Entwicklungshilfe durch Mikrokredite funktioniert: Schneiderinnen, Friseurinnen, Händlerinnen, Fensterbauer, Landwirte. Sie alle wären in diesem politisch relativ stabilen und für afrikanische Verhältnisse recht gut entwickelten Land nicht verhungert. Die Mikrokredite haben ihnen jedoch geholfen, ihr Leben und das ihrer Familien auf eine sicherere Basis zu stellen und – was besser ist als jedes Geschenk aus reicheren Ländern – für sich selbst sorgen zu können.

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http://www.oid.org

War’s schön? Aber klar doch!

Von Helmut Burlager
„War’s schön im Urlaub?“ Ja klar war es schön im Urlaub.  Soll man jammern, wenn man dem Winter entflohen ist und sieben Tage lang Sonnenschein und 38 Grad im Schatten hatte? Soll man lamentieren, weil die Klamotten nach dem Frühstück schon durchgeschwitzt waren? Weil die Straßen staubig, der Regenwald stickig, die Tage lang, die Wege weit und holprig waren?
Nein, es war wirklich schön in Ghana, das landschaftlich und touristisch nicht an die beliebten Destinationen Kenia, Südafrika oder Namibia heranreicht. Dafür ist es vom Tourismus eben auch noch nicht verdorben. Die Menschen begegnen Europäern offen, freundlich und meist ohne den Hintergedanken, dass bei ihnen was zu holen sei. Und sie sind dankbar, dass sich jemand für sie interessiert, dass es Leute gibt, die ihnen bei ihrer Entwicklung helfen wollen. Der Freundeskreises Weser-Ems von Opportunity International, der diese Woche aus Ghana zurückkehrte, hat sich davon überzeugt, dass die mehr als 280000 Euro, die mittlerweile aus unserer Region dorthin flossen, gut angelegt sind.
Nun könnte man sagen, wozu geben wir das Geld weg, es gibt doch im eigenen Land genug finanzielle Probleme. Haushaltslöcher überall, und es muss strikt gespart werden, was auch die „kleinen Leute“ zu spüren bekommen, weil ihnen höhere Gebühren abverlangt oder Vergünstigungen gestrichen werden. Das ist alles unerfreulich. Und relativiert sich doch, wenn man Menschen getroffen hat, die von einem Dollar am Tag oder weniger leben müssen und die dennoch optimistisch in die Zukunft schauen, weil es – auch dank unserer Hilfe – in ihrem Land vorangeht.
Ein Bild, das mir vor Augen steht, sind Arbeiter, die neben ihren Lehmhütten mit der Spitzhacke einen Graben durch steiniges Gelände ziehen. Sie verlegen in der Sahelzone: ein Glasfaser-Breitbandkabel!

Obroney – Weißer Mann – wer bist Du ?

Von Jochen Ewald

Der feste, fast traurige Blick eines kleinen Jungen im Trikot der „Blues“ von Chelsea, er verfolgte mich die ganze Zeit, als wir auf dem Marktplatz in Bulenga bei den Sorghum-Bauern waren. Er schaute nicht zu den Tänzern auf dem Platz, sondern hatte sich zu mir gewandt und sah mich die ganze Zeit an, ohne ein einziges Wort zu sagen oder seine Miene zu verändern. Aber es kam mir vor, als ob er mich doch etwas fragen wollte. So etwas wie „Wer bist Du – was machst Du hier?“

Junge

Ich hatte ja zuvor auf dem Markt in Kumasi erlebt, wie mir von überall die Menschen freundlich zuriefen „Obroney“ – „white man“– so als ob ich etwas Besonderes sei, oder als ob ich für die Menschen hier etwas besonders positives bewirken könnte.
Dieser kleine Junge rief nichts, er sah mich nur schweigend an und bewirkte gerade dadurch, dass ich mir selbst seine von mir vermuteten aber unausgesprochenen Fragen stellte. Wer ich denn eigentlich hier bin und was ich denn hier mache. Hier in Bulenga, im kargen Norden Ghanas, bei brütender Hitze als Ehrengast den Worten der Redner lauschend, der Tänzerin zuschauend, die mit ekstatischen Bewegungen zu dem Wirbeln der Trommeln einen Cedi aus dem Staub mit dem Mund aufhob, ohne das Tanzen zu unterbrechen. Einen cedi, das sind gerade einmal 50 Cent, das durchschnittliche Tages-Einkommen der hier lebenden Menschen.
Wer ich bin? Im Moment jemand der sich bequem auf einem Stuhl sitzend von den Einheimischen etwas vorführen lässt. Der es toll findet, dass hier die Chiefs der Dörfer auch zu seinen Ehren versammelt sind, dazu einige hundert Männer und Frauen und die vielen Kinder mit ihren großen, fröhlichen aber eben auch fragenden Augen. – Niemals zuvor habe ich solche Fragen in ihren Augen gesehen wie bei diesem kleinen Jungen. Und diese Fragen rühren mich an. Natürlich: sie geben mir die Zuversicht den Weg fortzusetzen und für die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe zu werben, die von Opportunity International so großartig umgesetzt wird. Nicht einfach Geschenke als Almosen verteilen, sondern mithelfen, den Menschen ihren eigenen Weg aufzuzeigen, der sie stark und unabhängig macht – Freilich der
Blick sagt mir, ich könnte eigentlich noch eine ganze Menge mehr tun, der kleine Junge im Trikot der „Blues“ von Chelsea – er sagt es nicht, er fordert es nicht, aber sein Blick gibt mir das Gefühl, dass er das richtig gut finden würde !
Ich freue mich daher, dass wir diese zweite Reise nach Ghana unternehmen durften und beschlossen haben, uns in der Region Weser-Ems weiter für die Idee der Mikrofinanzierung einzusetzen. Ich glaube, auch die Menschen in Weser-Ems finden das richtig gut, das haben sie schon durch ihre bisherige Spendenbereitschaft bewiesen.
Jever, den 30.3.2010

Liebe Förderer unseres Ghana-Projektes,

Aus der Region Weser-Ems konnten wir durch zahlreiche Spendenaktivitäten und insbesondere auch durch die Unterstützung der Nordwest-Zeitung Spenden in Höhe von weit über 200.000 Euro für Mikrokredit-Projekte in Ghana von Opportunity International bereitstellen. Diese Gelder sind nicht als Geschenke an die notleidenden Menschen in Afrika verteilt worden, sondern ganz gezielt als Mikrokredite, mit deren Hilfe die Kreditnehmer ihr eigenes Schicksal selbst bestimmen und selbst gestalten können.
Wir haben uns vor Ort davon überzeugt, dass die Hilfen ihren Zweck erfüllen. Mit der Partnerorganisation SINAPI AB A TRUST hat Opportunity in Ghana einen Partner, der gerade erst zu den weltweit besten Mikrokreditorganisationen gewählt wurde, wozu nur drei Organisationen aus Afrika gehören! Wir haben die Zentrale von Sinapi Aba Trust – übersetzt bedeutet das: Ein Senfkorn säen – in Kumasi besucht und dazu einige Filialen auf dem Lande und waren total begeistert von der fachlichen Qualität und menschlichen Wärme der Sinapi-Mitarbeiter.
Nach unserem ersten Ghanatrip im März 2008 und einem zwischenzeitlich längeren Aufenthalt von Rüdiger Möllenberg in der Voltaregion, haben wir in diesem Jahr einen weiteren Besuch unternommen (natürlich wieder auf eigene Kosten) und haben uns dabei auf die noch ärmere Region im Norden Ghanas konzentriert.
Auf den großartigen Reisebericht von Brigitte Meiners, veröffentlich im Jeverschen Wochenblatt, dürfen wir verweisen.
Wir haben gespürt, wie wichtig unsere Hilfe für die Menschen ist und wir haben auch gespürt, wie wichtig es ist, dass wir hier in Weser-Ems so viele Menschen und Unternehmen gewinnen konnten, die weltweite Arbeit von Opportunity International auf dem Gebiet der Mikrofinanzierung zu unterstützen.
Das ist auch der Grund weswegen wir uns als Schirmherren bzw. Botschafter für Opportunity weiterhin für die weltweite Bereitstellung von Mikrokrediten engagieren, die inzwischen auch von der Politik als die effektivste Form der Entwicklungshilfe erkannt wurde.
Ob in Afrika oder jüngst auf Haiti – die Notwendigkeit gezielter Hilfen ist durch die internationale Finanzkrise noch größer geworden. Deswegen bedanken wir uns ganz herzlich bei allen Förderern und Spendern und bitten weiterhin um wohlwollende Unterstützung.
Der Freundeskreis Weser-Ems für
Helmut Burlager, Jochen Ewald, Dr. Karl Harms, Rüdiger Möllenberg,
Jever, März 2010

http://www.oldmarytown.de/obervolta.htm

http://www.oldmarytown.de/ghana-rundbrief-03-10.htm

http://www.youtube.com/watch?v=tzKwBIPzlW0

http://www.youtube.com/watch?v=4oZ2An-7GF8

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